Gestern war es so weit. Wir haben unseren zweiten Erfahrungsaustausch, dieses Mal zum Thema:
"Magnetband, das unbekannte Wesen",
durchgeführt.

Leider ist die Teilnehmerzahl dieses Mal aufgrund des Streiks bei Bus und U-Bahn in Berlin nach deutlich mehr Zusagen auf 6 gesunken, denn die Bodo-Uhse-Bibliothek ist ohne Bus und U-Bahn nur mit einem 20-minütigen Fußmarsch zu erreichen...
Im Erfahrungsaustausch haben wir folgende Themen besprochen und diskutiert:
- Geschichte des Magnetbandes
- Eigenschaften von Magnetbändern
- Lagerung
- Magnetband heute
- Was tun?
- Digitalisieren, aber wie?
- Beispiel einer Videodigitalisierung
- Fazit
- Netzwerke
Der geschichtliche Exkurs in die Anfangszeit der Signalaufzeichnung auf Magnetband war bereits sehr interessant. Den Wenigsten ist wahrscheinlich bekannt, dass die ersten Magnetbänder auf einem 16 mm breiten Papierstreifen basierten.
Die Diskussion zu den Eigenschaften und den Lagerungsbedingungen zeigte die vielen Besonderheiten der verschiedenen Datenträger auf. Viele Teilnehmer waren sich nicht bewußt, dass eine sachgerechte Lagerung von Magnetbändern nicht damit gewährleistet ist, dass die klimatischen und brandschutztechnischen Vorgaben erfüllt sind.
Vielmehr kommt es darauf an, die Bänder auch auf Veränderungen zu überprüfen und regelmäßig umzuspulen!
Diese bestandsehrhaltenden Maßnahmen sind kostspielig und setzen fachkundige Mitarbeiter und funktionierende Maschinen voraus.
Wir rechnen mit Kosten von mehr als 5 Euro pro Band und Jahr, heute! Tendenz steigend! Eine langzeitsichere Digitalisierung ist nicht teurer und sichert die Informationen!
Das kann ein Archiv mit eigenen Mitteln kaum leisten und das führt mittlerweile dazu, dass die Bänder zum Teil in diesem bedauernswerten Zustand sind...





Können Sie sich vorstellen, dass Dokumente oder Urkunden so lange im Archiv liegen, ohne dass diese dramatische Verschlechterung des Zustandes bemerkt worden wäre? Und wenn es doch so sein sollte, dass das ohne Reaktion als gegeben hingenommen würde, wie bei Magnetbändern? Ich nicht!
Die Diskussion zum Punkt „Was tun“ war sehr lebhaft. Allen Teilnehmern ist bewußt, dass es alternativlos ist, Magnetband digital zu „konservieren“, die aktuellen Vorgaben für eine (Dritt) Mittelvergabe hier aber oft ein entscheidendes Hemmnis sind.
Oft ist auch die Bewertung der Archivwürdigkeit schlicht und ergreifend unmöglich, weil die Verzeichnung unvollständig bis nicht vorhanden ist.
Es muss also die Entscheidung getroffen werden: erhalten oder vernichten! Dann aber bitte auch konsequent!
Magnetbänder weiter aufzuheben, wohlwissend, dass sie in wenigen Jahren kaum noch nutzbar sind, kostet Geld, Zeit und Energie und macht so gar keinen Sinn.
Das ist keine Panikmache! Videobänder der ersten Generationen (1/2 Zoll Open Reel, 2 Zoll SendeMAZ, U-Matic, VCR, CVC) können heute kaum noch eingespielt werden, weil:
- Bandverschleiß (Bandschmieren)
- Gerätemangel (die Geräte sind teilweise über 45 Jahre alt)
- Ersatzteilmangel
- Radio- und Fernsehtechniker fehlen (werden seit 1997 nicht mehr ausgebildet)
Jedes Abspielen verschlechtert den Zustand eines heute schon vorgeschädigten Bandes und der starke Abrieb verschmutzt die Geräte.
Zu erwarten, dass hier auf wundersame Weise eine Verbesserung eintreten wird, ist blauäugig!
Im Punkt 6 und 7 der Präsentation haben wir über die Vorbereitung und Durchführung eines Digitalisierungsprojekts und die technischen Parameter am Beispiel einer Videodigitalisierung gesprochen.
Die empfohlenen Vorgaben und Parameter haben doch überwiegend überrascht. Und die sind, im Gegensatz zur Digitalisierung von Dokumenten und Akten, für jeden analogen Bild- und Tonträger anders.
Auch die Beurteilung von Angeboten und Testdigitalisierungen haben wir etwas näher beleuchtet.
- Wie wird ein Angebot vergleichbar, was muss ins Lastenheft?
- Wie beurteile ich ein Testdigitalisat?
Nur wenn bei der Angebotseinholung sehr präzise Vorgaben gemacht werden, die einer langzeitsicheren Digitalisierung Rechnung tragen, sind Angebote vergleichbar.
Ist das Testdigitalisat wirklich authentisch? Sind alle Vorgaben der Leistungsbeschreibung umgesetzt worden?
Oft werden unzulässig optimierte Testdigitalisate eingereicht, die wir oftmals als besser ansehen. Doch sind diese dann wirklich authentisch und langzeitsicher?
In der offenen Diskussion berichtete u.a. Herr v. Kostka vom Alliierten Museum in Berlin über seine Erfahrungen mit Magnetton- und Videobändern, wie seine Einrichtung schon seit mehreren Jahren mit eigenen Mitteln Bänder einspielt und auf XDCAM (Disc) sichert. Damit hat er den Inhalt erst einmal gesichert. Inwiefern diese Digitalisate auch langzeitsicher sind, muss geprüft werden. Im Zweifelsfall müssen hier noch Konvertierungen in quelloffene Formate nachgeschoben werden.
Immer wieder wurde die Bewertung einer Archivwürdigkeit der Bestände als schwierig beschrieben. Das ist nachvollziehbar, wenn die Inhalte nicht bekannt sind. Aber wann und wie wollen wir die Archivwürdigkeit feststellen, ohne die Inhalte zu kennen?
Durch „liegenlassen“ und „abwarten“ sicher nicht.
Wer übernimmt die Verantwortung dafür, wenn unsere Archive in den nächsten Jahren nur noch Sterbebegleitung durchführen und die Bänder dann irgendwann doch entsorgt werden?
Ist der Auftrag eines Archivs nicht ein anderer?
Die Unterlagen zum Download finden Sie hier:
[https://my.hidrive.com/share/o9v3zfn14b]
Anhänge sind teilweise zweiseitig. Bitte herunterladen, da der integrierte Viewer die zweite Seite nicht zeigt!
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Neue Erkenntnisse werden hier regelmäßig eingepflegt, es lohnt sich also!
PSS: Das Interesse am Erfahrungsaustausch teilzunehmen war groß. Leider hat der Streik der Verkehrsbetriebe vielen Interessenten die Anfahrt unmöglich gemacht. Wir überlegen deshalb einen zweiten Termin einzuberaumen. Bitte lassen Sie mich wissen, wenn Sie Interesse haben!
michels@avantmedia.de
Ihr Jörg Michels
